Comenius' Karte von Mähren und ihre Derivate.
Die Bezeichnung Comenius' Karte von Mähren ist allgemein bekannt und für dieses kartografische Werk üblich. Die einzelnen Nummern rufen jedoch irrtümlicherweise den Eindruck hervor, dass alle erhaltenen Exemplare aus einer einzigen Ausgabe hervorgingen. Dem ist nicht so, und die einzelnen Abdrucke unterscheiden sich in gewisser Weise von einander. Dem ursprünglichen Werk wurde nämlich in den nachfolgenden zweieinhalb Jahrhunderten eine ganze Reihe von Karten entnommen, von denen einige nicht einmal den Namen des Autors tragen, von dessen Arbeit sie abstammen.
Die ältesten Abdrucke der Mährenkarte von Comenius werden gewöhnlich in das Jahr 1624 datiert, also in die ersten Jahre des Dreißigjährigen Kriegs. In Mähren, einem der historischen böhmischen Länder, erneuerte Kaiser Ferdinand II. seine Macht nach der Niederlage des Protestantenaufstandes, an dem sowohl Comenius, Bischof der Unität der Böhmischen Brüder, als auch der Kartenwidmer und Rebellenführer Ladislav Velen von Zerotein aktiv teilnahm. Die Karte, die ursprünglich als Beilage zu einem nicht erhaltenen Werk über die Geschichte Mährens vorgesehen war, erhielt so eine ansehnliche militärisch-politische Bedeutung. Dank des detailliert gezeichneten Inhalts (z.B. bedeutende Furten) sollte sie dem Vorrücken der dänischen Armeen dienen, in deren Reihen auch der ehemalige Landeshauptmann Ladislav Velen von Zerotein kämpfte.
Die Karte wurde wegen ihrer Genauigkeit und Detailliertheit in verschiedenen Abwandlungen mehr als ein Jahrhundert lang in der bisher registrierten 101. Ausgabe aus insgesamt 12 Kupferstichen verlegt. Einige Ausgaben sind bis heute in größerer Anzahl erhalten, andere Abzüge sind dagegen rar und erscheinen kaum auf dem Markt. Die Mährische Landesbibliothek besitzt eine wertvolle Sammlung von Comenius' Karten und bietet der breiten Öffentlichkeit mittels dieser Ausstellung einen Blick in die Geschichte der Kartografie, aber auch allgemein nach Mähren im 17. Jahrhundert, auf die Verteilung der Siedlungen, alte Wegeführung oder die historische Terminologie der Dörfer und Städte. Grundlage für die Zusammenstellung dieser Übersicht war die Publikation von Milan Václav Drápela: Monumenta delineationum Moraviae Auctore I. A. Comenio.
Stich von Abraham Goos - erste Platte (KMM P)
Die offensichtlich älteste Ausgabe, die Milan Václav Drápela spätestens dem Jahre 1624 zuschreibt, steht uns nicht zur Verfügung. Sie stammte aus der Werkstatt von Abraham Goos, einem niederländischen Kartografen und Kartenherausgeber. Die bekannten jüngeren Abdrucke dieser ersten Platte von Goos aus dem Jahre 1664 befinden sich heute in der Kartensammlung des Geografischen Instituts der Masaryk-Universität in Brünn und in der Universitätsbibliothek in Breslau. Von den gedruckten Exemplaren, die von der zweiten Platte von Goos stammen, unterscheiden sie sich jedoch nur in Detaills.
Stich von Abraham Goos - zweiterPlatte (KMM A)
Dieser Stich ist für einen großen Teil der Öffentlichkeit ein Synonym für die Comenius'sche Karte von Mähren. Die Druckplatte wurde von dem niederländischen Kupferstecher Abraham Goos in den Jahren 1626-1627 angefertigt und in dem Zeitraum von 1627 bis ca. 1713 verwendet. Das Charakteristische ist der Vedutenstreifen am oberen Rand, der die Städte Polna (in dieser Zeit vorübergehend Teil von Mähren), Olmütz, Brünn und Znaim. Bisher sind 6 Ausgaben dieser Karte bekannt, die im Atlas der Familie Visscher und ihrem Nachfolger Peter Schenk abgedruckt wurde.
-
Erste Visscher'sche Ausgabe, Version 1627 (resp. 1630) (KMM A1.1)
Auf Grund der Draperiefalte mit Titel und weiterer kleinen Details wird die Karte den Platten von Goos zugeordnet. Das Datum der Ausgabe im Impressum in der rechten unteren Ecke weist Zeichen einer Überstechung der ursprünglichen Datierung auf das Jahr 1627 auf. Verleger der Karte war der niederländische Kartograf und Besitzer der führenen Werkstatt für die Herausgabe von Karten - Claes Janzoon Visscher (1587-1652), auch bekannt unter dem lateinischen Namen Nicolaus Joannes Piscator. Es handelt sich um den ältesten Abdruck der Comenius'schen Karte, der sich in den Sammlungen der Mährischen Landesbibliothek befindet. Er wurde gemeinsam mit einigen anderen Werken Comenius' im Jahre 1901 erworben.
-
Erste Visscher'sche Ausgabe, Version 1633 (KMM 1.3)
Jüngerer Abdruck derselben Karte, wird datiert auf 1633.
-
Erste Visscher'sche Ausgabe, Version 1645 (KMM A1.4)
Eine weitere Variante der Ausgabe von Visscher mit der Datierung 1645.
-
Erste Visscher'sche Ausgabe, Version 1664 (KMM A1.5)
Version aus dem Jahre 1664, herausgegeben von Nicolaes Visscher d.Ä. (1618-1679), dem Sohn von Claes Janszoon, der die Werkstatt nach dem Tod seines Vaters übernahm.
-
Zweite Visscher'sche Ausgabe (KMM A2)
Eine zweite, nicht datierte Auflage der Karte von Visscher veranlasste offensichtlich erst das dritte Familienmitglieder der Visscher, Nicolaes der Jüngere (1649-1702) ca. nach 1680. Bei dieser Gelegenheit wurde das Impressum völlig überstochen.
-
Schenk'sche Ausgabe (KMM A3)
Es handelt sich um eine nicht datierte, aktualisierte Auflage von Peter Schenk d.Ä. (1660-1718/1719) oder d.J. (1698-1775), von denen der Ältere Miteigentümer des Visscher'schen Verlags war und der Jüngere einen Teil der Platten von Visschers Erben abkaufte.
Stich von Jodocus Hondius (KMM B)
Diese Platte wurde spätestens im Jahre 1629 von Jodocus Hondius d.J. (1594/95-1629) gestochen. Für den Druck wurde sie in den Jahren 1630-1672 verwendet. Hondius gehörte zu einer Gruppe niederländischer Kartografen, Kupferstecher und Kartenherausgeber, die durch verwandschaftliche Beziehungen miteinander in Verbindung standen - diese Platte fertigte er nach einer Vorlage seines Cousins Abraham Goos (KMM A). Kurz nach Beendigung der Arbeit starb er jedoch, und sein Bruder verkaufte den Kupferstich an die Konkurrenz - Willem Janszoon Blaeu. Dieser fügte sie regelmäßig den Ausgaben seiner Atlanten hinzu, deren große Beliebtheit Ursache für das häufige Vorkommen von variierten Abdrucken dieser Platte war. Die Varianten unterscheiden sich nicht nur durch kleine Abweichungen im vorderen Kartenteil, sondern auch im gedruckten Text auf der Rückseite.
-
Erste Blaeu'sche Ausgabe (KMM B2a)
Willem Janszoon Blaeu (auch Caesius, 1571-1638) gehörte nicht nur zu den aktiven Karten- und Globenherausgebern, sondern auch zu den führenden Kartografen, Astronomen und Mathematikern seiner Zeit. Der Schüler von Tycho de Brahe wurde unter anderem berühmt als Verleger von Seekarten und wurde offizieller Kartograf der mächtigen Niederländischen Ostindien-Kompanie, die den Grundstein für die niederländische Kolonialherrschaft in Südostasien legte. Das charakteristische Element der Karte ist die Titelkartusche, die auch auf einige andere Druckplatten übernommen wurden.
-
Erste Blaeu'sche Ausgabe (KMM B2c)
Variante derselben Karte mit rückseitigem lateinischem Text.
-
Zweite Blaeu'sche Ausgabe (KMM B3a)
Zweite Blaeu'sche Ausgabe, die sich von der vorigen durch unterschiedliche Referenzmeridiane unterscheidet.
Stich von Henrik Hondius (KMM C)
Um das Jahr 1633 stach Henrik Hondius, der gemeinsam mit seinem Schwager Joannes Janssonius Hauptinitiator der Herausgabe des Mercator-Atlas nach 1623 war, auf Grundlage von KMM A eine neue Platte. Jodocus Hondius, Autor von KMM B, war Henriks Bruder. Die Ausgabe war vor allem für die Eingliederung in die Atlanten bestimmt und ist somit, ähnlich wie die vorigen, in großer Anzahl von textuellen Abweichungen auf der Rückseite der Karte erhalten.
-
Ausgabe von Hondius (KMM C1e)
Älteste bekannte Ausgabe, publiziert von Henrik Hondius selbst, Variante mit deutschem rückseitigem Text.
-
Ausgabe von Hondius (KMM C1a)
Gleiche Ausgabe wie oben, allerdings ohne rückseitigem Text.
-
Ausgabe von Janssonius (KMM C2c)
Die Ausgabe von Johann Janssonius (1588-1664), führender Verleger von Karten, Atlanten und Globen, verwandt mit der Familie Hondius und Hauptkonkurrent der Familie Blaeu, ist die zweitälteste Bearbeitung der Platte KMM C. Das Exemplar in der Mährischen Landesbibliothek ist auf der Rückseite mit einem lateinischem Text versehen.
-
Ausgabe von Johann Janssonius-Waesberger, Moses Pitt und Stephan Swart (KMM C3a)
Nach dem Tod von Johann Janssonius gab sein Schwiegerson Johannes (III.) Janssonius van Waesbergen (1616-1681) gemeinsam mit dem Londoner Verleger Moses Pitt (1639-1697) und Stephen Swart einen neuen Abdruck von derselben Platte heraus. Die Karte wurde offentlichtlich um das Jahr 1680 verlegt.
-
Ausgabe von Gerard Valk und Peter Schenk (KMM C4a)
Zusammen mit einem Teil von Janssonius' Platten gelangte der Stich der Mährenkarte in den Besitz der Schwäger Gerard Valk (1650-1726) und Peter Schenk d.Ä. (1660-1718/1719), die nach 1683 offensichtlich als letzte von ihr druckten.
Stich von Samuel Dvořák (KMM D)
Der Stich wurde von dem Prager Kupferstecher Samuel Dvořák d.Ä. (gest. 1689) im Jahre 1677 nach der Vorlage KMM C gefertigt und diente für den Druck der Karte, die Pešinas Werk Mars Moravicus beigefügt wurde.
-
Dvořák'sche Ausgabe (KMM D)
Samuel Dvořák, inspiriert von dem Werk von Tomáš Pešina z Čechorodu, fügte der Titelkartusche die Figuren eines Markomannen und der March hinzu, als Symbole für die ruhmreiche Vergangenheit des Landes. Im Hinblick auf die politische Stellung von Comenius, der nur ein paar Jahre vor Beendigung dieses Abdruckes starb, wurde seine Autorschaft auf der Karte nicht angeführt. Die Ortsbezeichnungen sind nur auf Tschechisch angeführt.
Stich von Matthäus Merian (KMM F)
Der Stich entstand im Jahre 1650 in der Werkstatt von Matthäus Merian (1593-1650), Gründer des bekannten Frankfurter Kupferstichunternehmens, nach der Vorlage von KMM B.
-
Ausgabe von Matthäus Merian
Merians Ausgabe war als Beilage zum bekannten Werk Topographia Germaniae bestimmt, konkret zu dem Band, der Böhmen, Mähren und Schlesien gewidmet war (erste Ausgabe 1650). Die Karte aus Merians Ausgabe wurde auch in dem Werk Vermehrte Archontologia Cosmica, herausgegeben 1695, verwendet.
Stich von Antonio Barbey und Giacomo Cantelli da Vignola (KMM I)
Die Platte entstand nach Bearbeitung des Stichs KMM A, durchgeführt von dem Hofkartografen des Herzogs von Modena, Giacomo Cantelli da Vignola (1643-1695). Der Kupferstich selbst ist ein Werk von Antonius Barbey (tätig 1684-1814).
-
Ausgabe von Domenico de Rossi (KMM I)
Das Werk wurde in der römischen Druckerei von Domenico de Rossi im Jahre 1692 verlegt.
Stich von Nicolas Sanson d'Abbeuville (KMM S)
Der Stich aus dem Jahre 1654 stammt von KMM B, und es sind drei Ausgaben bekannt (1654, 1679, 1778). Nicolas Sanson d'Abbeville d.Ä. (1600-1667) ließ sie herstellen.
-
Ausgabe von Guillaume Sanson d'Abbeuville (KMM S2)
Es handelt sich um einen kleinen Abdruck in der linken unteren Ecke der Schlesienkarte mit eigenem Kartenausschnitt. Die Ausgabe aus dem Jahre 1679 ist ein Werk von Nicolas' Sohn Guillaume (1633-1703), der wie sein Vater berechtigt war bei seinem Namen den Titel Kartograf des Französischen Königs anzuführen.
Stich von Johann Andreas Pfeffel und Christian Engelbrecht (KMM T)
Die Platte entstand um das Jahr 1701 in Wien, offensichtlich auf Grundlage der Stiche KMM B und KMM D.
-
Ausgabe von Johann Andreas Pfeffel und Christian Engelbrecht (KMM T)
Die Ausgabe von Johann Andreas Pfeffel (1674-1750) und Christian Engelbrecht (1672-1735) war für das Werk Germania Austriaca von Carl Granelli bestimmt. Die linke obere Ecke füllt eine bukolische Szene mit dem Zeichen Mährens, die Frauenfigur kann die Personifikation des Flusses symbolisieren, nach dem das Land benannt ist und die auch dargestellt werden kann als aus dem Felsen sprudelnde Quelle. Diese Karte besitzt die Mährische Landesbibliothek in unterschiedlichen Kolorierungen.
Benutzte Literatur:
- Drápela, Milan Václav: Monumenta Delineationum Moraviae auctore I. A. Comenio. J. A. Komenského mapa Moravy a její odvozeniny. Brno 1984.
- Lexikon zur Geschichte der Kartographie von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg (Edd. Ingrid Kretschmer, Johannes Dörflinger und Franz Wawrik). Wien 1986.